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Seltene Erkrankungen „Selten ist gar nicht mal so selten“

Rund 8.000 seltene Erkrankungen sind bekannt – aber längst noch nicht ausreichend erforscht. In einer dreiteiligen Interviewreihe klärt Prof. Dr. med. Christoph Kleinschnitz über Fakten und Herausforderungen auf.

In Deutschland sind etwa 3-4 Millionen Menschen betroffen.

Foto: Adobe Stock

Herr Prof. Kleinschnitz, was bedeutet eigentlich das „selten“ bei Erkrankungen?

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Wenn wir uns diese Zahlen jedoch genauer anschauen, sind sie gar nicht mal so selten: Immerhin sind in Deutschland circa 3-4 Millionen Menschen von einer seltenen Erkrankung betroffen. Ein bekanntes Beispiel ist etwa die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die vor allem durch die Ice Bucket Challenge viel öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Weniger bekannt sind dagegen beispielsweise die Friedreich-Ataxie (FA) oder die Spinale Muskelatrophie (SMA), beides fortschreitende Erkrankungen.

Welche Herausforderungen bestehen bei der Diagnose seltener Erkrankungen?

Der Diagnosezeitraum dauert oft sehr lange – im Durchschnitt etwa fünf Jahre. Dies liegt unter anderem daran, dass es Nachholbedarf bei der Schulung von Ärzten zur Erkennung von seltenen Erkrankungen gibt. Zudem sind die Symptome oft unspezifisch oder betreffen gleichzeitig mehrere Bereiche im Körper, sodass Ärzte nicht sofort an eine spezifische seltene Erkrankung denken. Häufig werden die Patienten zunächst auch nicht ernst genommen; oder ihre Symptome werden als rein psychisch bedingt eingestuft.

Dennoch hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren dank verbesserten Möglichkeiten in der Gendiagnose enorm viel getan: Das Erbgut kann heute effizienter analysiert und somit Diagnosen präziser gestellt werden. Zudem wurden an vielen Universitätskliniken sogenannte Zentren für seltene Erkrankungen etabliert. In diesen Zentren arbeiten Experten aus verschiedenen Fachrichtungen interdisziplinär zusammen, um eine umfassende Betreuung der Patienten zu gewährleisten.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es abseits der Forschung für Betroffene und ihre Angehörigen noch?

Betroffene finden bei seltenen Erkrankungen oft deutlich weniger Informationen über ihre Krankheit als bei anderen weiter verbreiteten Erkrankungen. Daher ist es enorm wichtig, mit anderen Patienten und Angehörigen Informationen, Wissen und Erfahrungen austauschen zu können, sowie sich in Selbsthilfegruppen zu engagieren. Wichtige Anlaufstellen in diesem Zusammenhang sind unter anderem ACHSE e.V.Orphanet DeutschlandLoudrare oder Biogen-fuer-mich.

Prof. Dr. med. Christoph Kleinschnitz ist Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung von neurovaskulären und neuroimmunologischen Erkrankungen, zu denen auch einige seltene Krankheiten gehören. Sein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Forschung zu Schlaganfällen und Multipler Sklerose (MS).

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