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Alzheimer: Wenn die Tochter für die Mutter sorgen muss

Kamaria war 28 Jahre alt, als bei ihrer Mutter Mary Alzheimer im Frühstadium diagnostiziert wurde. Gerade einmal fünf Jahre zuvor hatte sie ihren Vater, für den sie die Pflege übernahm, an einen Hirntumor verloren. Nur einmal, bei einem gemeinsamen Ausflug mit einer Freundin, brach das Gefühl der Ungerechtigkeit angesichts der beiden Schicksalsschläge aus ihr heraus. Sie schwor sich, dass dies die einzigen Tränen bleiben würden.  

Nachdem Kamaria den ersten Schock verdaut hatte, stand für sie fest, dass es nur eine Möglichkeit gibt, mit der Krankheit ihrer Mutter umzugehen: „Ich fokussiere mich immer zuerst auf die Dinge, die erledigt werden müssen. Alles andere, wie beispielsweise die emotionale Aufarbeitung, kommt danach. Für mich hat die Unterstützung meiner Mutter im Kampf gegen Alzheimer oberste Priorität“, beschloss Kamaria.

Endlose Arztbesuche und eine Vermutung

Das erste Anzeichen, dass etwas nicht stimmte, war der plötzliche Gewichtsverlust von Kamarias Mutter. Innerhalb kürzester Zeit nahm sie über 60 Kilogramm ab, ohne dafür bewusst etwas zu tun. Auf Freunde und Verwandte wirkte sie außerdem zunehmend vergesslich und gereizt. Den entscheidenden Hinweis lieferte schließlich ein Besuch der Großmutter. Die drei Frauen verbrachten einen ganzen Tag miteinander, besuchten das Grab von Kamarias Vater und aßen gemeinsam im Restaurant von Kamarias Ehemann. Als Kamaria ein paar Wochen später im Gespräch mit ihrer Mutter den Besuch ihrer Großmutter erwähnte, konnte sich Mary nicht mehr an den gemeinsam verbrachten Tag erinnern. Bei Nachfragen reagierte sie verärgert.

Nach diesem Erlebnis vereinbarte Kamaria eine Reihe von Arztterminen für ihre Mutter. Aufgrund des Gewichtsverlusts wurde zunächst ein Gastroenterologe zu Rate gezogen. Danach standen zahlreiche Termine bei Neurologen und Psychologen an. Für die gesamte Familie war diese Phase eine Belastungsprobe. Verschiedene Verwandte begleiteten Kamarias Mutter zu den einzelnen Terminen. Eine eindeutige Diagnose blieb allerdings aus.

Bei Mary wurde im Alter von 57 Jahren Alzheimer diagnostiziert.

Im Laufe der Zeit festigte sich bei Kamaria die Vermutung, dass ihre Mutter an Alzheimer erkrankt sein könnte. Deshalb ergriff sie die Initiative und kontaktierte die US-amerikanische Alzheimer-Gesellschaft „Alzheimer's Association“. Dort wurde ihr ein Neurologe empfohlen, der ihren Verdacht schließlich bestätigte und bei Mary Alzheimer diagnostizierte. Der Gewichtsverlust war lediglich darauf zurückzuführen, dass Mary aufgrund ihrer Alzheimer-Erkrankung vergessen hatte, regelmäßig Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Bis zur endgültigen Diagnose dauerte es letztlich zwei Jahre. Ein Kraftakt für Mary, Kamaria und die ganze Familie.

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist eine Alzheimer-Erkrankung immer ein starker Einschnitt ins Leben. Dennoch war Kamaria erleichtert, als es endlich Klarheit gab: „Die Diagnose war wie eine Erlösung für uns. Endlich hatten wir Gewissheit, woran meine Mutter erkrankt ist. Ich wusste sofort, dass wir jetzt einen Plan entwickeln können, wie wir mit der Alzheimer-Erkrankung weiterleben werden.“

Tägliche Alzheimer-Betreuung und die Folgen der Corona- Pandemie

Eine weitere Herausforderung war es für Kamaria, ihre Mutter in einem passenden Tagespflege-Programm für Patientinnen und Patienten mit Alzheimer unterzubringen. Beinahe ein Jahr dauerte es, bis sie das richtige Programm gefunden hatten. Ein Glücksfall, denn aus Kamarias Sicht hat die Aufnahme in das Programm ihrer Mutter das Leben gerettet. Der tägliche Besuch des Pflegezentrums ermöglichte es ihrer Mutter, soziale Kontakte zu pflegen und den Alltag zu strukturieren. Der geregelte Tagesablauf und die wiederkehrenden Routinen gaben ihrer Mutter Mary Orientierung und Halt. Das Programm unterstützte Kamarias Mutter auch bei Arztbesuchen und überwachte die regelmäßige Einnahme von Medikamenten.

Aufgrund der Corona-Pandemie kann Mary die Tagespflege vorerst leider nicht mehr besuchen. Sie erhält aber weiterhin Unterstützung bei ihren Arztbesuchen und das Pflegepersonal unternimmt regelmäßige Hausbesuche. Für Mutter und Tochter bleibt dies eine unverzichtbare Hilfe im Alltag.

Kamaria ist weiterhin zuversichtlich und unterstützt ihre Mutter.

Kamarias Mutter Mary hat sich inzwischen an die Veränderungen in ihrem Leben gewöhnt. Sie kennt die Diagnose, aber Kamaria ist nicht sicher, ob ihre Mutter diese auch wirklich versteht. Sie selbst muss nun immer mehr die Rolle einer Mutter für Mary einnehmen, und ihre beiden Leben bestmöglich abstimmen.

„Ich weiß, dass uns die größten Herausforderungen im weiteren Verlauf der Alzheimer-Erkrankung noch bevorstehen, aber gegenwärtig haben wir uns ganz gut arrangiert. Wenn ich meine ‚frühere‘ Mutter für einen Moment zurückhaben könnte, dann würde ich ihr sagen, dass ich sie liebe und mich um sie kümmern werde – auf unserem gemeinsamen Weg.“

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