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Leben mit spinaler Muskelatrophie – „Das Beste draus machen“

Es beginnt schon in der Grundschule: Alles, was mit Laufen zu tun hat, fällt dem jungen Lars schwerer als seinen Mitschülerinnen und Mitschülern. Bei den Bundesjugendspielen bleibt er hinter den anderen zurück. Lars wird von verschiedenen Ärzten untersucht, doch helfen können sie ihm nicht. Damals heißt es: „Das legt sich in der Pubertät“.

Mit 13 Jahren, mitten in der Pubertät, ist Lars aktiver Tischtennisspieler. Doch plötzlich kann er seinen geliebten Sport nicht mehr ausüben: Die für das Tischtennis typische gehockte Position gelingt ihm nicht mehr, immer öfter knicken ihm die Beine weg. Der Ärzte-Marathon beginnt erneut. Mit 16 Jahren erfährt Lars endlich, was seine Muskeln schwächeln lässt: Die Diagnose lautet 5q-assoziierte spinale Muskelatrophie (5q-SMA).

„Das legt sich in der Pubertät“, oder nicht?

SMA ist eine seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland etwa 1.500 Menschen an SMA.1 Vor allem zu Beginn verursacht die Erkrankung oft diffuse Symptome. SMA und andere seltene Erkrankungen erfordern deswegen häufig Detektivarbeit bei der Diagnose. Da die körperlichen Auffälligkeiten und Einschränkungen in der Regel schrittweise entstehen, dringen sie häufig erst verzögert ins Bewusstsein der Betroffenen. Auch Ärzte und Therapeuten bringen die Symptome nicht immer direkt mit einer SMA-Erkrankung in Verbindung. SMA wird daher insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen häufig erst später diagnostiziert.2

Lars’ Erkrankung entdecken Ärzte schließlich durch eine Muskelbiopsie und einen Gentest. Es ist der Wendepunkt in seinem Leben.

SMA geht auf einen Gendefekt zurück, der unter anderem nach und nach die Muskulatur schwächt. Im Gegensatz zu vielen anderen neuromuskulären Erkrankungen ist die genetische Ursache der SMA weitestgehend bekannt: Bei 95 Prozent der Patienten mit klinisch diagnostizierter 5q-SMA verursacht ein SMN1-Gendefekt die Krankheit.3 Relevant ist dabei auch, ob von beiden Elternteilen je ein verändertes SMN1-Gen vererbt wird. Menschen mit nur einem veränderten SMN1-Gen können die Erkrankung zwar weitergeben, erkranken jedoch selbst nicht, da ein korrektes SMN1-Gen auf dem anderen homologen Chromosom den Gendefekt kompensiert.4

Mobil und unabhängig dank eines aktiven Lebensstils

Als Lars seine Diagnose erhält, ist SMA noch nicht medikamentös behandelbar. Viele Jahre können die Ärzte ihm nur mit unterstützenden Therapien für Atmung, Ernährung, Orthopädie und Physiotherapie helfen. Erst später, rund 20 Jahre nach seiner SMA-Diagnose, beginnt Lars mit einer medikamentösen Behandlung, die seine Erkrankung kausal behandelt. Sein ganz persönliches Ziel bei Therapiebeginn: „Mir war wichtig, meinen Gesundheitszustand zu erhalten und dass ich mobil und unabhängig bleibe. Ich habe alles gerne selbst in der Hand.“

Was ein gesundes, aktives Leben angeht, bereut er heute seine Haltung als Jugendlicher. Statt auf seine Mutter zu hören und aktiv zu werden, nahm Lars seine Erkrankung lange einfach hin und dachte „da kann man nichts machen.“ Heute weiß er es nicht nur besser, sondern hat seine Lebensweise angepasst: Drei Mal wöchentlich hat Lars intensive Physiotherapie, die ihm sehr hilft. Auch seine Ernährung hat er umgestellt. Dadurch ist sein Zustand stabiler und er fühlt sich deutlich besser, fitter und mobiler als vorher.

Lars führt mit seiner SMA-Erkrankung ein glückliches und erfolgreiches Leben – beruflich wie privat

Mit SMA und Zuversicht – „Das Leben ist viel zu schön“

Neben viel Bewegung und einer gesunden Ernährung sind Lars auch regelmäßige Erholungsurlaube sehr wichtig. Zu seinen Favoriten gehören Städtereisen oder Urlaube in der Schweiz, um richtig abzuschalten.

Diese Erholung ist der optimale Ausgleich für seinen Job als Unternehmer: 2018 hat sich Lars mit drei Bekannten selbstständig gemacht. Ihr erfolgreiches kleines Unternehmen vertreibt Inhalationstechnik für Pferde. Zu seinem beruflichen Alltag gehören auch viele Messebesuche — die auch ohne SMA schon anstrengend sind. Auch wenn Lars sich durch seine Erkrankung kaum eingeschränkt fühlt, muss er dennoch ein paar Dinge bedenken: „Ich muss natürlich immer auf gewisse Sachen achten — zum Beispiel, dass die Locations bei meinen beruflichen Terminen barrierefrei sind oder dass ich nicht zu viele Stufen gehen muss.“

Doch Lars hat seine Krankheit angenommen: „Es gibt ein Sprichwort: Entweder du lebst deine Erkrankung oder du lebst mit deiner Erkrankung. Ich habe mich für den zweiten Punkt entschieden“, sagt Lars. Für die Zukunft wünscht er sich natürlich eine Therapie, die SMA heilen kann. Doch ihm ist klar: „Ob das irgendwann passieren wird, steht in den Sternen“. Bis dahin genießt er sein Leben so, wie es aktuell ist. Frei nach dem Motto: „Jetzt mache ich das Beste draus!“

Seit Oktober 2021 ist SMA Teil des Neugeborenen-Screenings.5 In Zukunft können so SMA-Diagnosen früher gestellt und es kann frühzeitig eine geeignete Therapie für Betroffene eingeleitet werden. Kinder mit 5q-SMA können motorische Fähigkeiten wie Sitzen, Krabbeln, Stehen oder Gehen möglichst normal entwickeln, wenn sie frühzeitig behandelt werden.6

Mit SMAlltalk steht Patienten und Angehörigen eine interaktive Plattform zur Verfügung, auf der sie sich über ihren Alltag mit SMA austauschen können.

Referenzen
  1. Norwood FLM et al. Brain. 2009; 132(Pt 11): 3175 3186.
  2. Genetics Home Reference. SMN2 gene. 2012. Verfügbar unter: https://ghr.nlm.nih.gov/gene/SMN2. Abgerufen am: 2. Februar 2022.
  3. Genetics Home Reference. SMN1 gene. 2012. Verfügbar unter: https://medlineplus.gov/genetics/gene/smn1/. Abgerufen am: 2. Februar 2022.
  4. Prior TW, et al. Carrier screening for spinal muscular atrophy. Genet Med 2008; 10:840-842
  5. Gemeinsamer  Bundesausschuss. G-BA erweitert Früherkennungsuntersuchung bei Neugeborenen auf spinale Muskelatrophie. 17.12.2020. Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/919/. Abgerufen am: 2. Februar 2022.
  6. Gemeinsamer Bundesausschuss. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Kinder-Richtlinie: Neugeborenen-Screening auf 5q-assoziierte spinale Muskelatrophie (SMA). 17. Dezember 2020. Abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-7155/2020-12-17_KinderRL_SMA_TrG.pdf. Abgerufen am: 2. Februar 2022.

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