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Philipp Hanf – überdurchschnittlich glücklich

Philipp ist 1969 geboren und sagt von sich selbst, dass er immer auf der Sonnenseite des Lebens stehen durfte. Er führte 25 Jahre lang erfolgreich seine eigene Zahnarztpraxis, liebte gutes Essen, abenteuerliche Reisen, Tennis, Golf und Bewegung, das war seine Welt. „Ich war sehr sportlich, habe mich gesund ernährt, war ein braungebrannter Typ, der gern Spaß hatte und die schönen Dinge des Lebens genießen durfte“.

Der Weg zur Diagnose

Mit 47 Jahren merkte der erfolgsverwöhnte Zahnmediziner erstmals, dass seine rechte Hand nicht so wollte wie er. Es begann mit Krämpfen zwischen Daumen und Zeigefinger, die durch Lockerungs­übungen jedoch wieder verschwanden.


„Ein halbes Jahr später als ich etwas unterschreiben sollte und den Stift nicht mehr halten konnte, war mir klar, hier stimmt etwas nicht.“ Zuerst dachte er an die üblichen Dinge wie, Karpaltunnel­syndrom, Bandscheiben­vorfall, Schlaganfall – doch da für einen Zahnarzt eine ruhige Hand essenziell ist, nutzte Philipp seine guten Verbindungen zu befreundeten Ärzten und Ärztinnen, um schnell eine Diagnose und möglichst eine Therapie zu bekommen.

Zwei Monate später lag die Diagnose dann vor: ALS – eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die schnell fortschreiten kann und für die es bisher nur begrenzte Behandlungs­möglichkeiten gibt. Philipp will und kann das erst einmal nicht wirklich glauben, denn zu diesem Zeitpunkt geht es ihm noch sehr gut, und die leichten Probleme mit den Händen erscheinen dem Optimisten eher unbedeutend. Daher sucht er eine zweite Meinung in der Uniklinik Tübingen– aber auch dort wird die Diagnose ALS bestätigt.

ALS und nun?

Für Philipp ist sofort klar, er will seinen Patientinnen und Patienten keinen Zahnarzt mit motorischen Problemen zumuten, so entscheidet er sich schweren Herzens seinen geliebten Beruf aufzugeben. „Ich stand damals ja noch in der Blüte meines Lebens und als ich nicht mehr gearbeitet habe, fühlte es sich erst einmal an wie Urlaub. Wie eine Befreiung aus den Zwängen des Alltags“. Erstmalig in seinem Leben hatte der damals noch nicht einmal 50-Jährige Zeit.

Diese nutzt er, um zu reisen, Abenteuer zu erleben, neue Dinge zu lernen, sich weiterzubilden und vor allem um sich mit Persönlichkeits­entwicklung auseinander­zusetzen, um einen Weg zu finden mit dieser gravierenden Diagnose umzugehen. „Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass man mir die Freiheit zugesteht, nur noch das zu tun auf was ich Lust habe.“

Natürlich sucht Philipp in dieser Zeit auch intensiv nach Möglichkeiten die ALS vielleicht doch zu heilen. „Ich habe allerhand verrückte Therapien ausprobiert, war bei Heilern und Schamanen und habe viel experimentiert – manches war gut und manches eine kuriose Erfahrung, aber auf jeden Fall war dies die spannendste und interessanteste Zeit meines Lebens“.

Ein böser Traum

Lange hat Philipp die Hoffnung vermisst - es hat sich alles angefühlt wie ein böser Traum. Er hat sich in seiner Situation auch manchmal alleingelassen gefühlt. Er wünscht sich von seinem Umfeld direkte Kommunikation: „Wie geht’s dir? Willst du über dieses Thema reden oder eher nicht?“.  

Ein Ventil für Philipp: Mehr Bewusstsein für ALS in der Gesellschaft zu schaffen. „Ich fühle mich verantwortlich für die Awareness, weil ich es noch kann, weil ich etwas fitter bin als manch anderer Betroffene“. Trotz der Anerkennung, die er dafür erhält, wird ihm jedoch auch vorgeworfen, durch seine Lebensfreude ein verzerrtes Bild der Erkrankung zu vermitteln.

Überdurchschnittlich glücklich

Philipp hat gelernt, trotz der Diagnose ALS positiv zu bleiben und sich auf das zu konzentrieren, was noch möglich ist. Früher definierte er sich durch Sport und Reisen, doch jetzt findet er neuen Sinn in seiner Situation. Er beschreibt seinen Wandel so: „Der entscheidende Switch in meinem Kopf war, mich nicht auf das zu konzentrieren, was ich nicht mehr machen kann, sondern auf das, was noch möglich ist. Ich bin dankbar für die neue Sinnhaftigkeit, die ich durch meine Erkrankung gefunden habe und würde mich immer noch als überdurchschnittlich glücklich bezeichnen.“

Philipp Hanf beschreibt in seinem Buch Wer stirbt denn nicht“ seine persönliche Reise und Erkenntnisse. Das Buch ist ein offenes Plädoyer für das Leben und die Akzeptanz des Todes.

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