Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine schwere seltene Erkrankung, die häufig schon im Säuglings- oder Kindesalter auftritt. In Deutschland ist etwa eins von 7.000 Neugeborenen betroffen.1 Früher war die Diagnose SMA für viele schwerstbetroffene Säuglinge und Kinder ein Todesurteil. Heute haben auch diese Kinder eine Chance sich nahezu normal zu entwickeln. Innovative Therapien machen es möglich, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen, sich Schule, Studium und dem Berufsleben widmen und eine Familie gründen können.
Dr. Björn Schmid ist Medical Lead Rare Diseases bei Biogen in Deutschland. Gemeinsam mit seinem Team hat er die Einführung eines ersten Medikaments gegen SMA in Deutschland begleitet. Heute geht es darum, behandelnde Ärztinnen und Ärzte mit Informationen zu unterstützen und mehr Daten über die Erkrankung zu gewinnen, um die Versorgung der Betroffenen weiter zu verbessern.
Dr. Björn Schmid ist Experte für spinale Muskelatrophie und setzt sich dafür ein, die Versorgung von Menschen mit SMA zu verbessern
Forschung an seltenen Erkrankungen schenkt neue Hoffnung
Dass für SMA lange keine Therapie verfügbar war, hat einerseits mit der Komplexität der genetischen Erkrankung zu tun, andererseits aber auch mit ihrer Seltenheit. An seltenen Erkrankungen wird häufig weniger geforscht als an Krankheiten, unter denen größere Teile der Bevölkerung leiden, denn Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen sind mit großen Investitionen und Risiken verbunden. Als Pionier in den Neurowissenschaften forscht Biogen seit vielen Jahren an komplexen neurologischen Erkrankungen, um Menschen mit häufigen Krankheiten wie Multiple Sklerose (MS) oder Alzheimer ebenso helfen zu können wie Menschen mit seltenen Erkrankungen wie SMA.
„Für die kleinsten Patientinnen und Patienten war die Diagnose SMA damals ein Todesurteil“, berichtet Björn Schmid. „So eine Nachricht war für Eltern verheerend. Sie mussten über eine palliative Behandlung entscheiden, Beatmung: ja oder nein? Die Ärzte konnten oft nur raten, die kurze gemeinsame Zeit möglichst zu genießen.“
Innovative Therapien geben Babys und Kindern mit SMA die Chance, erwachsen zu werden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Eine neue Technologie hat den Weg zur SMA-Behandlung geebnet
Schon bevor SMA 2017 behandelbar wurde, forschte Biogen viele Jahre an der komplexen Erkrankung. Die Biogen-Gründungsmitglieder und späteren Nobelpreisträger Dr. Walter Gilbert und Dr. Phillip Sharp haben die Technologie erforscht, die den Grundstein für die erste SMA-Therapie gelegt hat.
Solche grundlegend neuen Technologien können ein Behandlungsfeld revolutionieren. Bis sie den Patientinnen und Patienten schließlich in Form eines Medikaments zur Verfügung stehen, vergehen allerdings viele Jahre. Die Zulassung ist dabei das Ziel einer langen Reise von den ersten Wirkstoffkandidaten bis zum Abschluss der klinischen Studien, in deren Rahmen der Wirkstoffkandidat schließlich mit Probandinnen und Probanden getestet wird.
„Bevor das Medikament in Deutschland auf den Markt kommen konnte, mussten wir erst einmal die gesamte Therapielandschaft erkunden und verstehen“, erzählt Björn Schmid. „Wir mussten herausfinden, wie es den Patientinnen und Patienten geht, welche Symptome sie haben und von welchen Ärztinnen und Ärzten sie behandelt werden.“ Wichtig war auch, zu verstehen, wie Menschen mit SMA diagnostiziert werden und zu untersuchen, wie diese Diagnose verbessert und früher gestellt werden kann.
„Die Zulassung der SMA-Therapie war eine emotionale Achterbahnfahrt“
Während der Zulassungsstudien stand Biogen dann vor einer neuen Herausforderung: „Es war eine emotionale Achterbahnfahrt“, erzählt Björn Schmid. „Natürlich haben Eltern von an SMA erkrankten Kindern über Patientenorganisationen und Medien verfolgt, dass wir an einer Therapie arbeiten. Sie wünschten sich eine möglichst schnelle Behandlung ihrer Kinder im Rahmen der Studien. Leider konnten wir nicht alle in die Studien einschließen, weil manche Kinder die Einschlusskriterien für die Studienteilnahme nicht erfüllten. Das war frustrierend.“
Die Einschlusskriterien einer Studie strikt anzuwenden, ist wichtig, um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten und die Risiken für die Probandinnen und Probanden zu minimieren. Sie umfassen Merkmale, die potenzielle Probandinnen und Probanden aufweisen müssen, um an einer klinischen Studie teilnehmen zu können. Dies sind beispielsweise Faktoren wie Alter und Geschlecht, aber auch die Schwere der Erkrankung und bisherige Therapien.
Auch für Biogens SMA-Team war dies eine schwierige Situation. Sie hatten eine Therapie entwickelt, die womöglich den erkrankten Kindern helfen könnte. Doch die klinische Entwicklung von Medikamenten folgt strengen Vorgaben und geschieht in mehreren Studienphasen. Erst wenn ein Wirkstoffkandidat alle Phasen erfolgreich abgeschlossen hat, kann er zur Zulassung eingereicht und im Falle einer Zulassung Betroffenen zugänglich gemacht werden. „Glücklicherweise waren die Ergebnisse der zulassungsrelevanten SMA-Studien schon nach der halben Studiendauer klar positiv, sodass die Studien beendet und die Daten zur Zulassung eingereicht werden konnten“, so Björn Schmid.
„In solchen Fällen können die Zulassungsbehörden ein sogenanntes Härtefallprogramm erlauben, mit dem der Zugang zu Medikamenten schon vor der Zulassung ermöglicht wird“, berichtet Björn Schmid. Voraussetzung für ein solches Programm ist, dass die Patientinnen und Patienten schwer erkrankt sind und ihnen keine therapeutische Alternative zur Verfügung steht. Im Falle der SMA konnten die Ärztinnen und Ärzte Kinder mit Behandlungsbedarf so schon vor der Zulassung des Medikaments behandeln. „Das war sehr bewegend für uns und für die Betroffenen und ihre Familien. Kurze Zeit später wurde die Therapie dann als erste krankheitsmodifizierende SMA-Therapie zugelassen.“
Mit Mut und Pioniergeist gegen SMA
Je früher die Krankheit diagnostiziert und eine kausale Therapie eingeleitet wird, desto größer sind die Chancen für Säuglinge und Kleinkinder, motorische Fähigkeiten wie Sitzen, Krabbeln, Stehen oder Gehen zu erreichen. Ein früher Therapiestart ist also wichtig für eine altersgerechte Entwicklung. Gleichzeitig sind bei Geburt fast alle Babys zunächst asymptomatisch. Symptome entwickeln sie meist erst nach einigen Wochen oder Monaten. Bis dahin ist im Zweifel wertvolle Zeit vergangen.3
Biogen konnte mit seinen Studiendaten und seiner Expertise daran mitwirken, dass SMA Teil des sogenannten Neugeborenenscreenings wird. Bei dieser frühen Untersuchung wird einem Baby unmittelbar nach der Geburt etwas Blut aus der Ferse entnommen, in dem nach verschiedenen Erkrankungen geschaut wird – seit Oktober 2021 gehört auch SMA dazu.2„Seit SMA Teil des Neugeborenenscreenings ist, können alle SMA-Betroffenen frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Das ist ein enormer Erfolg“, sagt Björn Schmid.
SMA hat sich so von einer nicht behandelbaren zu einer frühzeitig diagnostizierbaren und therapierbaren Krankheit entwickelt. Björn Schmid weiß, was für diesen großen Schritt notwendig war: „Mut, ein fester Glaube an die Therapie und Pioniergeist“, sagt er. „Das sind Dinge, die wir bei Biogen leben. Wahren Mut zeigen für mich aber die Betroffenen und Angehörigen, die mit der schweren Diagnose SMA konfrontiert werden und ihr Leben dennoch in die Hand nehmen. Dank der Therapie können wir heute einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten.“
Was ist spinale Muskelatrophie (SMA)?
Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung, die vor Einführung einer Therapie zu den häufigsten genetisch bedingten Todesursachen bei Säuglingen und Kleinkindern zählte. Ohne Behandlung kommt es unweigerlich zu einem Verlust von Motoneuronen im Rückenmark und im unteren Hirnstamm, was eine zunehmende Muskelschwäche sowie einen Muskelschwund zur Folge hat. Menschen mit SMA können von Lähmungen und einer lebensbedrohlichen Beeinträchtigung der Atem- und Schluckmuskulatur betroffen sein. Bei Säuglingen mit der schwersten SMA-Form machen sich erste Symptome bereits unmittelbar nach der Geburt oder in den ersten Lebenswochen bemerkbar. Ohne eine medikamentöse Behandlung ist ihre Lebenszeit stark verkürzt, meist sterben sie vor dem zweiten Lebensjahr.
Einen Austausch mit anderen Betroffenen rund um SMA und das Leben mit der Erkrankung bietet die Plattform SMAlltalk.
In unseren Storys erzählen SMA-Patientinnen und -Patienten von ihrem Leben mit der Erkrankung: Lars ist 16 Jahre alt, als er die Diagnose SMA erhält. Er erzählt, wie er heute mit der Krankheit umgeht. Phil ist bereits seit seiner Geburt an SMA erkrankt , was ihn nicht davon abhält, als international anerkannter Pop-Art-Künstler erfolgreich zu sein. Samuel spürte mit 15, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Im Video teilt er seine Geschichte.