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TikTok-Star und Vorbild: Celina zeigt es allen

Celina ist 24 Jahre alt, hat SMA Typ 2 und ist auf TikTok ein echter Star. Sie erreicht mit ihren Videos, in denen sie singt oder ihr Leben teilt, tausende Menschen. Aber auch im realen Leben ist sie erfolgreich: so hat sie gerade ihr Studium abgeschlossen und ist in die erste eigene Wohnung gezogen.  

Beim Versuch zu stehen hat sie bitterlich geweint

Im zweiten Lebensjahr bemerkten Celinas Eltern erstmals, dass etwas mit ihrem Baby nicht stimmt. Während andere Kinder im gleichen Alter bereits anfingen sich an Möbeln hochzuziehen und aufzustehen, blieb Celina einfach sitzen. „Beim Versuch mich auf die Beine zu stellen, habe ich bitterlich geweint.“ erzählt Celina. Nach der Entnahme von Muskelgewebe kam dann die Gewissheit: Sie hat die seltene Muskelerkrankung Spinale Muskelatrophie Typ 2 (SMA).

Welche Schule ist die richtige?

Nachdem Celina bereits einen integrativen Kindergarten besucht hatte, diskutierten ihre Eltern lange darüber, welche Schule die richtige für ihre Tochter sei. „Meinen Eltern war es wichtig, dass ich mich dort gut aufgehoben fühle und nicht ausgegrenzt werde.“  erklärt Celina. So entschieden sie sich, nach eingehender Beratung, gegen die Grundschule in ihrem Ort, wo ihre Tochter das einzige Kind mit körperlicher Beeinträchtigung gewesen wäre, und für eine reine Körperbehindertenschule, wo sie die Hilfe und Förderung bekam, die sie benötigte.

In dieser Schule hat Celina den Hauptschulabschluss absolviert. Aber ehrgeizig und zielstrebig, wie sie ist, war ihr das noch nicht genug. Schritt für Schritt näherte sich Celina dem Fachabitur: auf der weiterführenden beruflichen Schule machte sie den Realschulabschluss. Dann hängte sie noch zwei Jahre für die Fachhochschulreife an. Dazu besuchte Celina eine Schule mit inklusivem Konzept für Schüler mit und ohne Behinderung. „Die Gemeinschaft der Schule hat mich von Anfang an beeindruckt. Meine Unsicherheit und Angst verflogen schnell und ich fühlte mich schon nach kürzester Zeit sehr wohl.“ erinnert sich die 22-jährige.

Online-Karriere dank der Pandemie

Während der Pandemie 2020 verbrachte Celina viel Zeit vor dem Computer. Sie hat angefangen kurze Videos zu drehen, in denen sie sich zur Musik bewegt, singt oder so tut, als würde sie singen. Sie hatte viel Spaß dabei und hat schnell versucht mit ihren Videos auch wichtige Inhalte zu vermitteln. Vor allem für die Themen Lebensfreude und Selbstliebe mit Behinderung setzt sich Celina ein: „Das kam bei vielen gut an, sodass meine Reichweite auf TikTok sehr schnell gestiegen ist. Je mehr Menschen auf mein Profil gestoßen sind, desto mehr Fragen zu mir und meinem Leben wurden gestellt. So habe immer mehr von meinem Leben und meiner Erkrankung geteilt.“  Social Media ist heute ihre große Leidenschaft und ihre Community, die täglich wächst, bedeutet ihr sehr viel.

Nach dem Abitur erfährt Celina vom Studiengang Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt. „Nach einem Gespräch mit dem Behinderten­beauftragten wurde mir die Unsicherheit genommen. Ich habe auf mein Herz gehört und so stand fest: dieses Studium soll es sein.“ Nun hat sie ihren Bachelor in der Tasche und möchte ihre Leidenschaft für die sozialen Medien zum Beruf machen.

In welche Richtung es beruflich genau gehen wird, ist noch offen. Der Bewerbungs­prozess ist anstrengend und manchmal demotivierend. Trotz jahrelanger Erfahrung und sieben Semestern Studium bekommt Celina oft gar nicht erst die Chance sich vorzustellen. „Ich spüre, dass viele Arbeitgeber von der Tatsache abgeschreckt sind, dass ich eine fortschreitende Muskelerkrankung habe.“ Daher hat Celina nun beschlossen, professionelle Hilfe bei der Jobsuche einzuschalten.

Loslassen war für alle schwer

Ganz anders ist es ihr beim Auszug aus dem Elternhaus ergangen. Hier hat sie ohne Hilfe von entsprechenden Stellen eine barrierefreie Wohnung in ihrem Heimatort gefunden, in die sie Ende letzten Jahres mit ihrem Freund gezogen ist. 

Der Schritt in die Selbständigkeit war nicht einfach, denn „wenn man über 20 Jahre lang diese konsequente Sicherheit hat, dass die Eltern sich um einen sorgen, dann ist es auch mit Angst verbunden, diesen Schritt zu wagen.“ erklärt Celina. Gleichzeitig musste sie auch darum kämpfen, dass ihr zugetraut wurde selbständig zu wohnen und zu leben.   

Celina wird von mehreren Assistenzen unterstützt. Dadurch kann sie ihren Alltag selbstständig gestalten, auch wenn ihr Freund bei der Arbeit ist oder seinen sportlichen Aktivitäten nachgeht. „Wir sind aber auch froh, wenn wir unsere Zweisamkeit einmal ganz ohne Assistenz genießen können. Für uns beide ist wichtig: Er ist mein Partner, nicht mein Pfleger. Jeder soll seinen Freiraum haben und das machen können, worauf er gerade Lust hat.“  

Celina ist laut für Menschen mit Behinderung

„Viele Leute haben überhaupt keine Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung und so kann Inklusion nicht funktionieren. Deswegen sorge ich – und hoffentlich viele andere auch – für mehr Sichtbarkeit.“

Nicht immer war Celina so mutig, sich öffentlich zu präsentieren, vielmehr hat sie sich versteckt und Menschen gemieden. Sie hat sich oft selbst gefragt, was eigentlich „normal“ ist und wer die Normen festlegt.

Heute möchte Celina nicht mehr einer vorgegebenen Norm entsprechen, sie will vielmehr selbst entscheiden, wer sie sein möchte. Deshalb hat sie sich als Ziel gesetzt, die Menschen immer wieder daran zu erinnern, dass Anderssein das einzig Normale in dieser Welt ist.  „Ich glaube, wenn das alle mehr verinnerlichen würden, gäbe es mehr Miteinander statt Ausgrenzung.“

Liebe hält Vieles aus

Früher fand Celina das Vorurteil, dass Menschen mit körperlicher Einschränkung oft auch als kognitiv beeinträchtigt gesehen werden, besonders verletzend. Inzwischen weiß sie damit umzugehen.

Aber wenn Menschen Vorurteile gegenüber ihrer Beziehung äußern, ärgert es sie sehr. „Mein Freund wird oft bewundert oder bemitleidet, weil er das alles „erträgt“. Die Wahrheit ist aber, dass er zwar körperlich alles stemmen muss, aber ich die mit dem Köpfchen bin. Wir ergänzen uns. Aber vor allem lieben wir uns, mit allen Ecken und Kanten. Das macht wahre Liebe aus.“

Aufgeben ist keine Option

Nach ihrem Lebensmotto gefragt, sagt Celina „die Gewissheit, dass nach jedem Tief wieder ein Hoch kommt, hat mich durch viele schwere Zeiten gebracht. Egal wie hart der Weg auch manchmal ist, man darf sich niemals unterkriegen lassen und muss für seine Träume kämpfen.“

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